Eine reiche Gemeinde

 Wenn man auf die Überschrift blickt, kommen einem die verschiedensten Gedanken: schöne Versammlungsstätten, zunehmende Besucherzahlen, begabte Sänger, redegewandte Prediger, qualifizierte Sonntagsschullehrer, usw. Und würden wir eine Umfrage starten, kämen gewiss noch weitere Antworten hinzu. All diese Punkte mögen nicht verkehrt sein und ihren Platz haben, doch wenn es sich um ein derart wichtiges Thema handelt, ist es ratsam, Antworten in der Heiligen Schrift zu suchen.

Die Bibel spricht von einem richtigen und falschen Reichtum. In den sieben Sendschreiben der Offenbarung ist die Gemeinde Laodizea er wähnt, die sich selbst als „ich bin reich und bin reich geworden“ einstufte, aber Gottes Urteil empfing, dass sie in seinen Augen als „elend, jämmerlich, arm, blind und nackt“ dastand (Offenbarung 3,14-22). Eins ist offensichtlich: Täuschung ist möglich und die Folgen sind gravierend. In seinem Brief an die Gemeinde zu Kolossä begrüßt er die Empfänger als „Heilige in Kolossä und gläubige Brüder in Christus“ (Kolosser 1,2) und die Gemeinde in Thessalonich bezeichnet er als „die Gemeinde der Thessalonicher in Gott“ (1. Thessalonicher 1,1). Diese Begriffe „in Christus“ und „in Gott“ sind überaus wichtig, wenn es um eine reiche Gemeinde geht. Eine Gemeinde setzt sich zusammen aus einzelnen Person und ist nur so geistlich, wie der Einzelne es ist. Wenn der Prediger der Gemeinde in dieser lebendigen Verbindung mit Gott steht und sich vom Heiligen Geist leiten lässt und dasselbe auf die leitenden Geschwister, sowie Sonntagsschullehrer, Chorleiter, usw. zutrifft, kann man von einer reichen Gemeinde sprechen, selbst wenn äußerlich kein Reichtum aufzuweisen wäre.

In der Apostelgeschichte 2,42 werden ebenfalls Erkennungszeichen  einer reichen Gemeinde er wähnt: „Sie blieben aber treu in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet.“

Eine geistliche Gemeinde ist wortgebunden und hält treu an der Lehre, die die Apostel vom Herrn Jesus empfangen hatten, fest. Bei allen Entscheidungen und Fragen, die im Gemeindeleben getroffen und beantwortet werden müssen, greift sie immer wieder auf das Wort zurück. Es geht um das Wort. Da wird uns der Hinweis, den der Apostel Paulus seinem jüngeren Mitarbeiter in 2. Timotheus 4,2 gibt, verständlich: „Predige das Wort“. Reich ist eine Gemeinde, wo das Wort Gottes in vollem Umfang verkündigt wird, d. h. wo nichts ausgelassen,  aber  auch  nichts  hinzugefügt  wird und die Gemeinde ihr „ Amen“ dazu gibt, d. h. das Wort als Maßstab anerkennt.

Bei „Gemeinschaft“ geht es um das Leben innerhalb der Gemeinde. Aufgrund unserer Verschiedenartigkeit, was Herkunft, Erziehung, Ausbildung,  Sprache  und  Kultur  betrifft,  kann  das  zu einer Herausforderung werden. Jakobus spricht in seinem Brief auch noch vom Verhältnis zwischen arm und reich (Jakobus 2,1-13). Der Reichtum einer Gemeinde zeigt sich darin, dass man keine Unterschiede macht, keiner bevorzugt wird und auf der anderen Seite die Bedürfnisse aller Gemeindemitglieder berücksichtigt werden. Ich wurde mir des Segens in dieser Hinsicht bewusst, als ich einmal bei der Durchführung der Fußwaschung zwischen zwei Brüdern saß, der eine ein Millionär und auf der anderen Seite ein einfacher Arbeiter. Trotz des Unterschiedes herrschte eine spürbare Einheit untereinander.

Das Brechen des Brots (Abendmahl oder auch Gemeinschaftsmahl),   was   damals   über wiegend in den Häusern geschah, deutet auf gegenseitiges Zusammenkommen und zeigt die praktische Seite der Gemeinschaft. Reich ist die Gemeinde, in der selbst die Einsamen, die Kranken und die älteren Geschwister in dieser Gemeinschaft mit eingeschlossen sind.

Dann wird im Vers noch das Gebet er wähnt. Nein, hier ist nicht in erster Linie das persönliche Gebet gemeint, sondern das gemeinsame Gebet, das Gebet der Gemeinde. Und das taten sie. Sie kamen zusammen, regelmäßig und zu den verschiedensten Anlässen. Wer die Apostelgeschichte einmal auf diesen Gedanken hin liest, wird feststellen, dass man oft gebetet hat. Zu Zeiten der Not, in Anfeindungen,  in  Schwierigkeiten  suchte  man  Zuflucht bei Gott und betete. Als Petrus im Gefängnis saß, lesen wir: „…aber die Gemeinde betete unablässig für ihn zu Gott“ (Apostelgeschichte 12,5).

Welch ein Reichtum offenbart sich da, wo Gebetsstunden besucht werden und man sich, ohne dass lange Pausen existieren, fleißig und rege am Gebet beteiligt. Wie köstlich ist es, wenn keine Formgebete  gesprochen  werden,  sondern  frisch,  aktuell und von Herzen kommend gebetet wird. Ich erinnere mich, als vor einigen Jahren eine kinderreiche Familie an unseren Ort zog und die Gottesdienste, einschließlich Gebetsstunden besuchte. Wie berührt und gesegnet waren wir, als wir hörten, wie sich die gesamte Familie, Vater, Mutter und Kinder am Gebet beteiligten. Sie haben die Gemeinde damals sehr bereichert.

Der Apostel Paulus schildert die Gemeinde im Bild eines Körpers. Er schreibt Christus die Stellung als Haupt zu. Uns beschreibt er als die verschiedenen Glieder des Leibes, deren Aufgabe es ist, ihren Dienst zur Verfügung zu stellen, damit der Körper funktionieren kann. Paulus macht es klar, dass es nicht darum geht, zu glänzen oder selbstbezogen auf seinem Platz zu sitzen, sondern zielbewusst seinen Platz auszufüllen, „ zum Nutzen für alle“ (1. Korinther 12,7), „ zur Erbauung des Leibes Christi … und dadurch das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner eigenen Auferbauung in Liebe“ (Epheser 4,12+16). Da, wo man sich gern und bereitwillig zum Dienst zur Verfügung stellt, mit anpackt, mithilft, mitbetet und mitopfert, kann man von einer reichen Gemeinde sprechen.

Eine reiche Gemeinde lebt aber nicht selbstbezogen in dieser Welt. Sie dreht sich nicht um die eigene Achse, sondern ist sich ihrer Aufgabe in der Welt bewusst. Der Herr Jesus sprach davon, dass wir „das Salz der Erde“ sind und auch „das Licht der Welt“ (Matthäus 5,13-14). Im Klartext: Wir können die Welt um uns her nicht sich selbst überlassen. Unsere Aufgabe, oder besser, unser Privileg ist es, Wegweiser zu sein. Wir dürfen einer dem Untergang geweihten Welt das Evangelium der Gnade Gottes überbringen. Eine reiche Gemeinde betet „ zuerst“ (1. Timotheus 2,1) für die Errettung der Verlorenen. Sie sucht nach Mitteln und Wegen, um an ihrem Ort auch sichtbar in Aktion zu treten. Jesus predigte nicht nur, sondern war auch darum besorgt, dass die Leute essen konnten. Da, wo man hilft, besteht gewöhnlich größere Bereitschaft zuzuhören.

Lass mich diese Gedanken zusammenfassen und anwenden. Ist es überhaupt möglich, solch eine Gemeinde zu sein? Oder handelt es sich nur um eine Idealvorstellung? Wenn es so wäre, würde ich jetzt umblättern und mich dem nächsten Artikel der Evangeliums-Posaune zuwenden. Doch so wollen wir es nicht tun. Gib mir doch bitte noch 2-3 Minuten deiner Zeit. Tatsache ist, und ich nehme mal an, du wirst dem zustimmen: Wir wünschen, dass gerade da, wo wir die Gottesdienste besuchen, man „unsere“ Gemeinde als reich bezeichnen könnte. Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass dieses Wirklichkeit wird? Und mit dieser Frage wird es dann zu einer ganz persönlichen Angelegenheit. Wir erkennen, dass hier jedes Kind Gottes, Mann oder Frau, jung oder alt, seinen Platz auszufüllen hat. Der  Stand  des  einzelnen  Menschen  bestimmt  den Stand der Gemeinde. Meine persönliche Beziehung zu Gott, meine Einstellung und meine Willigkeit mitzuarbeiten, entscheiden darüber, ob die Gemeinde reich oder arm ist.

Da wäre noch eins. Es könnte sein, dass wir nachgelassen haben und nicht mehr so voll dabei sind, es mit dem Besuch der Gottesdienste nicht genau genommen und schon lange nicht mehr gebetet haben. Warum willst du nicht heute den Ruf Gottes hören, der spricht:

„Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an…“ (Offenbarung 3,20)? Wer recht mit Gott steht und reich in Gott ist (Offenbarung 2,9), der wird auch dazu beitragen, dass die Ortsgemeinde eine reiche Gemeinde wird.

Harry Semenjuk

Ausschnitt aus der Evangeliumsposaune Juni 2020