Warum um Vergebung bitten?
„Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.“ (Matthäus 6,14)
Eines haben Jesus und die Apostel ganz klar und deutlich gelehrt: Wir werden keine Vergebung empfangen, wenn wir selbst nicht vergeben. Und das ist ganz wichtig. Weil wir Menschen sind, gibt es im Zusammenleben Missverständnisse. Wir machen Fehler, wir handeln ohne nachzudenken und verletzen uns gegenseitig. Ja die Bibel sagt sogar, dass Brüder sogar aneinander sündigen können. Damit diese Dinge die Gemeinschaft in einer Ortsgemeinde nicht auseinander brechen lassen, müssen wir uns gegenseitig vergeben. Und dazu gehört auch, dass wir uns gegenseitig um Vergebung bitten. Ich glaube, dass die Geschwister in einer Ortsgemeinde sich oft gegenseitig ihre Fehler vergeben auch ohne, dass einer den anderen um Entschuldigung bittet. Durch diese Fehler entstehen aber manchmal Wunden und wenn sie verheilt sind, bleiben Narben. Das sind z. B. solche Dinge wie das gebrochene Vertrauen. Oder die Angst, wieder so ungerecht behandelt zu werden. Die Folge ist, dass Geschwister, obwohl sie zu einer Ortsgemeinde gehören, sich aus dem Weg gehen. Obwohl die Sache vergeben wurde, ist keine Versöhnung zwischen ihnen entstanden. Und die Versöhnung kann erst dann zu Stande kommen, wenn einer den anderen aufrichtig und echt um Vergebung oder Entschuldigung bittet. Um Entschuldigung zu bitten, ist aber gar nicht so einfach. Dazu muss man sich selbst demütigen. Die eigene Schuld vor dem anderen eingestehen. Eigentlich sollte das im Zusammenleben der Geschwister kein Problem darstellen. Doch ich stelle immer wieder fest, dass viele Geschwister damit ein Problem haben. Und ich glaube, dass die meisten einfach nicht wissen, wie es geht.
Da ist der Fall eines älteren Bruders, der in einer Zeugnisstunde auf die Kanzel geht und dann so etwas sagt wie: „Geschwister, bitte vergebt mir, wenn ich was nicht so getan oder gesagt habe.“ Einerseits ist das echt. Er demütigt sich vor der Gemeinde. Aber andererseits ist das keine wirkliche Entschuldigung. Das ist nichts Klares, das Problem wird nicht benannt, die Verantwortung für die Schuld nicht übernommen. Und ich sitze da und weiß nicht, was ich ihm vergeben soll.
Um dir zu helfen, schief gelaufene Dinge im Zusammenleben nachhaltig zu lösen, habe ich hier vier Bestandteile einer wirklichen Bitte um Entschuldigung aufgeschrieben.
1. „Es tut mir leid…“
Beginne damit, dass du sagst, dass es dir leid tut. Und sage auch, was dir leid tut. Wenn der Geist Gottes dich auf ein Verfehlen gegenüber deinen Mitmenschen aufmerksam macht, dann zeigt er sehr deutlich, was das Problem war. Also nimm es und sage es in deinem ersten Satz. Bezieh das auf eine konkrete Situation. Und bezieh das auf dich selbst. Sag also nicht: „Es tut mir leid, dass du gestern alles, was ich gesagt habe, falsch verstanden hast.“ Sondern zum Beispiel so:
„Es tut mir leid, dass ich gestern in unserem Gespräch frech und laut gewesen bin.“
Manchmal ist es nicht klar, was genau das Problem war. Du fühlst, dass etwas schief gelaufen ist, aber was das Problem ist, weißt du nicht. Du merkst, dass das Verhältnis zu deinem Bruder anders geworden ist, dass deine Schwester „etwas wider dich hat“. Dann geh auf die Knie und bitte Gott, dir zu zeigen, was da schief gelaufen ist. Bitte ihn um echte Reue, damit du nicht heuchelst, wenn du sagst: „Es tut mir leid“.
2. „Es war falsch…“
Jetzt kommt das eigentliche Eingestehen der Schuld. Hier übernimmst du Verantwortung für dein Verfehlen. Und auch hier hilft dir der Geist Gottes, der in der Regel schon, bevor du deinen Nächsten um Vergebung bittest, seinen Finger auf die Wunde gelegt hat. Bitte als erstes Gott um Vergebung, aber dann mach dich auf und geh zu dem Menschen, dem du Unrecht getan hast. Das ist der Punkt, an dem viele Menschen versagen. Das ist der Punkt, an dem ich selbst immer wieder große Schwierigkeiten habe. Hier entscheidet sich, ob ich wirklich demütig bin. Ob ich den Bruder oder die Schwester über mich stelle, mich vor ihnen verbeuge und sage, ich hatte nicht recht.
Auch hier musst du möglichst konkret sein. Sage, was falsch war, sage, warum es falsch war. Wenn es eine Sünde war, dann sag, dass es eine Sünde war. Beschönige nichts. Achte darauf, dass in diesem Satz kein „aber“ vorkommt. Damit kehrst du dein Schuldeingeständnis um. Wenn ich bei dem Beispiel oben bleibe, würde das in etwa so klingen:
„Es war falsch zu sprechen, während ich mich geärgert habe. Die Bibel sagt, dass ich, wenn ich mich ärgere, schweigen soll. Und ich habe geredet. Außerdem habe ich mich im Gespräch über dich gestellt. Ich habe von oben herab geredet und bin sogar ausfallend geworden. Das war hochmütig und selbstsüchtig. Das war nicht richtig.“
3. „Ich möchte in Zukunft…“
Deine Bitte um Vergebung ist wenig wert, wenn du das, was falsch war, nicht ändern willst. Spätestens, wenn du zum dritten Mal für die selbe Sache um Vergebung bittest und dein Gegenüber kein Bemühen erkennt, dass du es besser machen willst, wird deine Entschuldigung unglaubwürdig.
Also mach dir Gedanken, was du in Zukunft anders machen willst, damit so etwas nicht wieder passiert. Mach ein Gebet daraus. Überlege, was du Gott bitten willst, damit so ein Handeln von deiner Seite in Zukunft verhindert wird. Sag diese Dinge, wenn du den Menschen um Vergebung bittest. In unserem Beispiel würde das heißen:
„Ich möchte in Zukunft mir auf die Zunge beißen, wenn ich fühle, wie Ärger in mir aufsteigt. Und ich habe angefangen, Gott zu bitten, mir dabei zu helfen. Mir ist bewusst geworden, dass wir alle derselben Gnade teilhaftig geworden sind, dass wir alle dasselbe Ziel haben und alle in demselben Himmel sein wollen. Deshalb will ich meine Interessen und Befindlichkeiten zurückstellen und die gemeinsame Sache im Vordergrund sehen.“
Es mag Fälle geben, wo eine Absichtsbekundung für die Zukunft nicht ausreicht. Wenn du die Sache noch irgendwie in Ordnung bringen kannst, dann solltest du es tun. Kündige es an und tue es dann auch.
4. „Bitte vergib mir!“
Und jetzt kannst du zu dem Satz kommen, um den es eigentlich geht. Die Bitte um Entschuldigung ist eine Bitte um Ent-Schuldigung. Du bittest den anderen, dir die Schuld zu nehmen, dir zu vergeben. Du hast die Schuld genannt und jetzt bittest du ihn, dir die Schuld zu nehmen. Manche versuchen, sich an dieser Stelle selbst zu entschuldigen. Mache diesen Fehler nicht. Bitte ganz bewusst um Verzeihung, Vergebung oder Entschuldigung.
„Bitte vergib mir!“
Das Motiv für eine Entschuldigung
Wenn du nach diesen vier Schritten vorgehst, dann gehst du schon einer großen Gefahr aus dem Weg. Der Gefahr der Heuchelei – dass du um Vergebung bittest, es aber nicht wirklich so meinst. Dass du es tust, um bestimmte Ziele zu erreichen. Die Menschen fühlen aber irgendwie, ob eine Bitte um Entschuldigung echt ist oder nicht.
Für mich ist das wahre Motiv für die Bitte um Vergebung die Reue. Mir tut es als erstes vor Gott leid, was ich getan habe. Und wenn ich vor Gott dafür Buße getan habe und eine Möglichkeit sehe, die Sache auch mit Menschen, denen ich Unrecht getan habe, in Ordnung zu bringen, dann tue ich es auch. Und das ist nicht einfach. Manchmal habe ich monatelang eine Sache mit mir herumgetragen, bis ich so weit war, dass ich mich gedemütigt habe und den Menschen um Vergebung gebeten habe.
Das ist nicht einfach. Aber das, was Gott uns dann schenkt, ist es immer wert.
Robert Witt, Gifhorn (DE)